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Pädagogische Grundlagen: Game-based Learning

Was ist Game-based Learning? Wie hebt es sich von Gamification ab?

Was ist Game-based Learning?

Spiele sind seit jeher integraler Bestandteil der menschlichen Natur (Huizinga, 1987). Wir sind daher der Ansicht, dass sie unbedingt Teil des Lernens sein sollten, denn: Nach dem Hook-Modell (Eyal, 2014) wird eine Person, wenn sie den Anreiz hat, ein Spiel zu spielen (z. B. durch eine fesselnde Erzählung), die ihr gestellten Hindernisse überwinden wollen. Neuere Spiele haben oft eine kontextualisierende Geschichte, aber die Einbettung in eine Erzählung ist keine Voraussetzung für ein Spiel.
In ihrem Buch „Reality is Broken“ hat Jane McGonigal vier wichtige Merkmale identifiziert, die Spiele definieren (McGonigal, 2011, S. 26):

  • Ziele, die „den Spielern ein Gefühl der Zielsetzung vermitteln“;
  • Regeln, die „Kreativität freisetzen und strategisches Denken fördern“;
  • ein Feedbacksystem, das „den Spielern verspricht, dass das Ziel auf jeden Fall erreicht werden kann, und […] zum Weiterspielen motiviert“;
  • freiwillige Teilnahme.

Mit anderen Worten: „Ein Spiel ist der freiwillige Versuch, unnötige Hindernisse zu überwinden“ (Suits & Hurka, 2005, S. 159).
Wer ein gutes Spiel spielt, wird alle diese Merkmale vorfinden; man wird aus eigenen Fehlern lernen und eine sinnvolle Belohnung erhalten, die zum Weiterspielen ermutigt. Diese Belohnung steht im Zusammenhang mit den Begriffen Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit (Deci & Ryan, 2008). Wer weiterspielt, wählt anspruchsvollere Aufgaben und gerät bald in einen Flow-Zustand (Csikszentmihalyi & Szöllösi, 2010), der mit tiefem Glücksgefühl einhergeht (s. Abb. Hook-Modell). Dieses Gefühl ist auf Dopamin zurückzuführen. Diesen biochemischen Neurotransmitter setzt unser Gehirn frei, wenn es eine Belohnung erwartet (van der Linden et al., 2021). Auch Selbstwirksamkeit, Optimismus, Hoffnung und Resilienz (Luthans et al., 2007) stellen sich beim Spielen ein.
Abbildung: Das Hook-Modell (CC BY-SA-NC 4.0 | Icons: Noun Project)

Gute Spiele besitzen also eine Reihe von Eigenschaften, die zu intrinsischer Motivation führen. In der Theorie scheinen sie viele mit dem traditionellen Bildungssystem gemein zu haben, doch in der schulischen Praxis sieht das anders aus. Dort ermutigen wir junge Menschen, sich einer Herausforderung zu stellen, und wir geben ihnen eine mehr oder weniger gute Note als mehr oder weniger reiche Belohnung. In der Idealvorstellung würde diese Belohnung sie motivieren, weiter zu lernen. Aber tatsächlich funktioniert es so eben nicht. Bei einem Spiel läuft es ganz anders. Dort gibt es zwar vorgegebene Regeln, oft im Rahmen einer zugrundeliegenden Erzählung, die das Spielsystem erklärt. Die Herausforderungen aber stellt sich die spielende Person selbst, und die Belohnung, die sie erhält, ist von persönlichem Wert.
Der wichtigste Unterschied zum traditionellen Lernen ist aber noch ein anderer: Die spielende Person ist frei, selbst zu entscheiden, ob sie überhaupt spielen möchte, wie sie die Herausforderung meistern will, und so oft zu scheitern, wie sie es braucht, um zu lernen, wie sie erfolgreich sein kann.
In der traditionellen Schule hingegen gibt die Lehrkraft die Herausforderungen vor und das System die Regeln. Doch die ergeben möglicherweise keinen Sinn, weil ihnen eine kontextualisierende Erzählung fehlt, und das Feedback ist sozialer Natur. Im Gegensatz zu einem guten Spiel gibt es keine Selbstbestimmung, und die Lernenden werden meist für Fehler bestraft, etwa durch Punktabzug. Daran scheitern viele junge Menschen, denn ihre Aufmerksamkeit wird so auf das eigene Versagen gelenkt statt auf ihre Talente. Dies erklärt auch, warum Eltern ihre Kinder oft regelrecht zum Lernen zwingen müssen und ihnen verbieten, sich mit dem neuesten Computerspiel zu beschäftigen – denn das sei ja nur Daddelei und gehöre in die Freizeit.
Dabei sind Spiele nicht nur ein integraler Bestandteil des Lebens der späten Generation Z und der Generation Alpha (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2023, S. 47). Die Kompetenzen, die Gamerinnen und Gamer beim Spielen entwickeln, können sehr wertvoll sein (Bediou et al., 2018; Mitterer & Steiner, 2020) – etwa in kognitiver, sozialer, persönlicher und sensomotorischer Hinsicht – und auch zur digitalen Mündigkeit beitragen (Donau-Universität Krems, 2018). Diese Fähigkeiten haben nicht nur nachweislich Auswirkungen auf das „echte“1) Leben (McGonigal, 2011; Katski, 2017), sondern sind auch für Arbeitgebende zunehmend wünschenswert (Molloy, 2019). Darüber hinaus haben Spiele schon vor mehr als einem Jahrzehnt zur Lösung wissenschaftlicher Rätsel beigetragen (Uehlecke, 2010) und die Entwicklung künstlicher Intelligenz enorm vorangetrieben (Luzgin, 2019). Auch die Tatsache, dass Spiele die Welt verändern können, ist nichts Neues, wenn wir Organisationen wie „Games for Change“ betrachten (s. www.gamesforchange.org).
Spielbasiertes Lernen zieht im Wesentlichen – oft sehr beliebte – Spiele zum Lernen heran. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist Minecraft. Es hat nichts mit Gamification2 oder Lernspielen3 zu tun und konzentriert sich auch nicht unbedingt auf digitale Spiele, wie das Beispiel der Quest2Learn-Schule in New York zeigt (Tekinbas et al., 2010). Hier jedoch beziehen wir den Begriff „Game-based Learning“ auf digitale Spiele.
Spielbasiertes Lernen konzentriert sich auf die Entwicklung von Kompetenzen. Wahrscheinlich erwerben die Spielenden dabei auch Faktenwissen, das ist aber nicht Ziel des Spiels. Bei Gamification2) und Lernspielen3) werden die Spielenden oft mit Punkten belohnt, die sie sammeln können, um sich mit anderen zu vergleichen oder eine Art von Fortschritt zu sehen. Dem spielbasierten Lernen dagegen liegt die Überzeugung zugrunde, die Bewältigung einer bewusst angenommenen Herausforderung bereite der spielenden Person Freude und motiviere sie zum Weiterspielen, wodurch ihr Kompetenzgrad steige. Außerdem sind derartige Spiele so konzipiert, dass die Spielenden aus ihren Fehlern lernen dürfen, statt dafür sanktioniert zu werden wie im derzeitigen Bildungssystem.

Referenzen

  • Bediou, B., Adams, D. M., Mayer, R. E., Tipton, E., Green, C. S., & Bavelier, D. (2018). Meta-analysis of action video game impact on perceptual, attentional, and cognitive skills.
  • Bedwell, W. L., Pavlas, D., Heyne, K., Lazzara, E. H., & Salas, E. (2012). Toward a Taxonomy Linking Game Attributes to Learning.
  • Csikszentmihalyi, M., & Szöllösi, I. (2010). Flow – der Weg zum Glück.
  • Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2008). Self-determination theory.
  • Deterding, S., Sicard, M., Nacke, L., O’Hara, K., & Dixon, D. (2011). Gamification: Toward a definition.
  • Donau-Universität Krems. (2018). Game-Based Learning im Unterricht.
  • Eyal, N. (2014). Hooked: How to Build Habit-Forming Products.
  • Katski, G. (2017). How World of Warcraft can get you a job.
  • Luthans, F., Avolio, B. J., Avey, J. B., & Norman, S. M. (2007). Positive Psychological Capital.
  • Luzgin, R. (2019). Video Games as a Perfect Playground for Artificial Intelligence.
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. (2023). JIM-Studie 2023 – Jugend, Information, Medien. Abgerufen am 17. Januar 2023, von Link.
  • McGonigal, J. (2011). Reality Is Broken.
  • Mitterer, K., & Steiner, J. (2020). Learning by Gaming: Bedeutung von Videospielen für die Persönlichkeitsentwicklung.
  • Molloy, B. D. (2019). How playing video games could get you a better job.
  • Suits, B., & Hurka, T. (2005). The Grasshopper: Games, Life and Utopia.
  • Tekinbas, K. S., Torres, R., Wolozin, L., Rufo-Tepper, R., & Shapiro, A. (2010). Quest to Learn: Developing the School for Digital Kids.
  • Uehlecke, J. (2010). Falten statt ballern.
  • Van Der Linden, D., Tops, M., & Bakker, A. B. (2021). The Neuroscience of the Flow State.
1)
Anführungszeichen werden absichtlich verwendet, da Erfahrungen in einer virtuellen Welt auch real sind (Chalmers, 2022).
2)
„[…] die Verwendung von Videospiel-Elementen in Systemen, die keine Spiele sind, um die Benutzererfahrung und das Engagement der Benutzer zu verbessern“ (Deterding et al., 2011).
3)
Spiele, die für das Lernen konzipiert sind und oft auch als „Serious Games“ bezeichnet werden (für eine eingehende Analyse der Elemente von Serious Games vgl. Bedwell et al., 2012).